01. Juni 2025

Correo del Valle - Land & Leute La Palma - VICENTE BLANCO

Land & Leute Im Gespräch mit ...

VICENTE BLANCO
VICENTE BLANCO
Kunsthandwerker
»Ich hab im Leben einfach das gemacht, was mir gefallen hat«
Vicente Blanco ist auf La Palma eine feste Größe, wenn’s um traditionelles Kunsthandwerk und die alten Feste der Insel geht. Besonders beim Corpus Christi in Villa de Mazo hat er die Sache in den 60ern auf den Kopf gestellt: Statt Blumenteppichen am Boden hob er die Bögen in die Höhe und schuf wahre Kunstwerke aus Blumen, Pflanzen und Naturmaterialien. Das Fest gilt heute als eines der spektakulärsten Spaniens. Auch bei der Fiesta de las Cruces ist er seit Jahrzehnten mit dabei — ein echter Bewahrer der alten Bräuche. (Interview aus dem Jahr 2020)



Woher kam denn die Idee, das Fronleichnam so umzukrempeln?

Ich war schon immer so ein bisschen rebellisch und hab mich was getraut — im positiven Sinne. Es musste halt mal was anderes her. Ich war nie einer, der alles so macht wie immer. Das Fronleichnam hat so ’ne Art Metamorphose durchgemacht. Am Anfang war das ein reines Kirchenfest: Prozession, die Leute haben Blumen auf den Boden gestreut, irgendwie, und an den Rändern ein paar Zweige. Später kam jemand auf die Idee, das ein bisschen geordneter zu machen — also wurden so kleine Gänge mit Blechschablonen gebaut, wo die Blumen reinkamen. Dann kamen irgendwann die Teppiche mit religiösen Motiven. Zwischen den Teppichen waren weiter die Gänge. Und mit der Zeit tauchten dann die Bögen auf.

Ich selbst bin Anfang der 60er dazugestoßen. Mein erster Bogen war 1963. Und seitdem hab ich jedes Jahr einen gemacht. Erst für mein Viertel La Rosa, wo ich geboren bin, später dann in El Pueblo, wo ich hingezogen bin, samt Teppich dazu. Damals war alles noch am Boden — Teppiche und Pausenstationen. Und wir haben das Ganze einfach mal hochgehoben, im wahrsten Sinne. Ich hab den Bögen dann ein Design gegeben. Das waren nicht mehr nur Stöcke mit ein paar Zweigen dran. Ein Bogen hatte eine Aussage, ein Symbol, hat irgendwas dargestellt. So hat dann der „vertikale Corpus“ angefangen, so wie wir ihn heute kennen.

Über die Jahre gab’s ja auch große Änderungen bei den Bauweisen dieser vergänglichen Kunstwerke, oder?

Auf jeden Fall! Früher haben wir die Bögen mit alten Fassreifen gebaut, die mit Waren vom Festland kamen. Später dann mit Holzbrettern und Latten. Die „Adern“ des Bogens waren aus purem Holz. So ein Bogen zu halten, war ein richtiger Kraftakt. Heute arbeiten wir mit Eisen und Holz zusammen. Ist leichter und einfacher, die Zeichnungen umzusetzen.

Hinter all dem steckt ja auch eine Menge Gemeinschaftsarbeit und Forschen, oder?

Klar. Corpus war immer eine soziale Sache. Angefangen von der Kirche, über die Lehrer bis zu ein paar kunstinteressierten Leuten, die Bock hatten, was zu machen. Für mich hat das drei Ebenen: eine ökologische und pflanzliche, eine religiöse mit Bedeutung und eine farbliche, also wie das alles zusammen wirkt. Wir haben viel über die Materialien gelernt, welche Pflanzen gehen und welche nicht, was man anbauen kann… Am Anfang haben vor allem die Frauen dem Corpus richtig Leben eingehaucht. Die haben ihre Ideen aus dem Stickhandwerk auf die Blumenarrangements übertragen.

Es gab viele Veränderungen. Früher haben wir alles mit frischen Blumen gemacht. Nach zwei Tagen in der Sonne war das halt durch — manche Blumen hielten sich farblich, andere nicht. Also haben wir angefangen, die Blumen vorher zu trocknen, damit die Farben halten. Die Materialvorbereitung läuft das ganze Jahr über. Viele Sachen werden von Viertel zu Viertel weitergegeben oder zusammen entdeckt. Es gibt eine richtige Methode, die sich über die Jahre entwickelt hat und dem Corpus seinen eigenen Charakter verleiht. Und der Ablauf ist immer noch ein Ritual, wo sich die Leute treffen und mitmachen. Wenn wir gerade einen Bogen abbauen, sind wir im Kopf schon beim nächsten Jahr.

Du kennst dich ja auch mit dem Fest der Kreuze ziemlich gut aus.

Genau. Am 3. Mai ist hier „Día de la Cruz“, da haben die Leute in Mazo schon immer die Kreuze geschmückt, mit dem, was sie halt hatten. Das geht bis in die Zeit der Eroberung zurück — damals hat man Kreuze an Bergen, Wegen und Orten aufgestellt, wo Leute gestorben waren. Später hat sich das eingebürgert, die Kreuze zu schmücken, auch da, wo’s keine Kapelle oder großes Fest gab. Es gab sogar Familien, die ihre eigene Kreuz-Feier gemacht haben, als eine Art Statussymbol. Deshalb haben viele alte Kreuze heute noch die Namen von Orten oder Frauen. Mit der Zeit wurden die Kreuze dann Gemeinschaftssache. Heutzutage macht das ein Grüppchen von Nachbarn, die das schon seit Jahren organisieren. Jeder weiß, was zu tun ist, einfach durch die Routine der letzten Jahre. Es geht darum, eine Familientradition zu bewahren, weil man immer schon der nächsten Generation gesagt hat: Vergesst nicht, das Kreuz zu schmücken. Wir haben das auch so von unseren Vorfahren übernommen. Die Nachbardörfer haben ähnliche Bräuche. Es wird nicht nur mit Blumen geschmückt, sondern auch mit Stoff, Papier, Spitzen…

Und du hast im Laufe deines Lebens auch künstlerisch einiges ausprobiert, oder?

Stimmt. Ich hab auch ein paar Ausstellungen gemacht, aber ich würde mich nicht als Maler bezeichnen. Ich war mal eine Zeit lang an der Kunsthochschule in Teneriffa, hab’s aber abgebrochen, weil meine Familie einfach nicht die Mittel hatte, um mir ein Studium auf einer anderen Insel zu finanzieren. Außerdem war das damals alles sehr locker und jeder machte, was er wollte — da hab ich mir lieber ein paar Bücher gekauft und selbst gelernt. Dann hab ich das Lehramtsstudium gemacht, weil’s hier auf La Palma eine Akademie gab. Und dann eben als Lehrer gearbeitet.

Ich hab in meinem Leben immer das gemacht, worauf ich Lust hatte. Mir war’s egal, wenn die Leute komisch geguckt haben, weil ich dies oder das gemacht hab. Wenn man sich davon beeinflussen lässt, was andere sagen, kommt man zu nix. Ich hab gearbeitet, klar, aber meine Hobbys nie aufgegeben. Das hier ist für mich einfach Tradition, meine ganze Familie war immer dabei.
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