Wie ist dein Leben und dein Schreiben auf La Palma?
Seit neun Jahren gebe ich drei Malkurse pro Woche in Ölmalerei, male weiterhin eigene Bilder und schreibe immer mehr — das nimmt inzwischen richtig Raum ein. Und damit nicht alles nur Kopf- und Seelenarbeit bleibt, kümmer ich mich noch um die Gärten meiner Eltern oben in Las Lomadas.
Würdest du sagen, dass das Leben auf La Palma deine Arbeit beeinflusst hat?
Auf jeden Fall. Auf so ’ner Insel wie La Palma geboren zu werden, prägt alles, was ich male: die Horizontlinie, die Unterwasserwelten, das Wolkenmeer, die Insel als fester Punkt mitten in einem riesigen, unberechenbaren blauen Gürtel. Auch beim Schreiben spielt das eine Rolle. In El Libro de Sara gibt’s viele Anspielungen auf die Landschaft hier: auf die Schluchten und den Nebel, auf den Wald und die Bäume, auf Greifvögel, den Calima, auf sternenklare Nächte, das Meer und den Sand. Malerei, Poesie und auch die Liebe brauchen immer einen Ort. Die Einsamkeit übrigens auch — manchmal ist es derselbe Ort, nur in einer anderen Zeit.
Du hast gerade El libro de Sara veröffentlicht. Erzähl uns, wo das herkommt.
Das Ganze entstand aus einem Versprechen, das ich nach dem Tod meiner Partnerin Sara Sentís gemacht hab, nach zwanzig Jahren, die wir zusammen waren. Ich wollte ein Buch für sie schreiben, als Hommage. Ich hatte zwar vorher schon ein bisschen geschrieben und lieb die Literatur, aber ein richtiges Buch hatte ich nie gemacht — ich war eben Maler. Also ist der Gedichtband aus der Leere heraus entstanden, aus der Traurigkeit und der fassungslosen Frage, was man mit so einem Verlust macht. Am Anfang des Buches steht ein Zitat aus Hölderlins Hyperion: „Und schön ist’s, dass dem Menschen so schwer wird, sich vom Tode dessen zu überzeugen, was er liebt.“
Was war die größte Herausforderung dabei, das Buch zu schreiben?
Das Einzige, was für mich von Anfang an klar war — und das weiß ich aus allem, was ich gelesen hab —, war: Ich will das Ding nicht in zwei, drei, vier Jahren schreiben, wenn der Schmerz noch frisch ist. Ich wusste, das braucht mehr Zeit. Am Ende hat’s zehn Jahre gedauert. Aber so sollte es sein, damit El Libro de Sara auch wirklich schön wird. Die größte Herausforderung war, mit einer Einsamkeit klarzukommen, die ich mir nicht ausgesucht hab, bis ganz an den Grund der Dinge zu gehen — und lebendig mit einem Lied der Liebe in den Händen wiederzukommen.
Gibt’s einen palmerischen Dichter oder eine Dichterin, deren Werk du bewunderst und empfehlen würdest?
Klar. Wir stehen hier alle unter dem Einfluss von Elsa López, die ist unsere große Lehrerin. Antonio Jiménez Paz ist nicht nur ein richtig guter Dichter, sondern auch ein erstklassiger Kritiker. Dann gibt’s noch Poeten von La Palma, die mittlerweile auf anderen Inseln leben, wie Antonio Arroyo Silva. Und dann hat La Palma seine Dichter, die vom Schicksal schwer getroffen wurden — zum Beispiel Leocadio Ortega. Von dem muss man unbedingt bald das Gesamtwerk herausbringen.
Glaubst du, La Palma ist ein guter Ort, um ein Buch zu schreiben?
Für mich war’s absolut notwendig. Die Rückkehr nach Hause — auch wenn Penélope nicht mehr da ist. Die Orte der Kindheit, die Plätze der Liebe, Gespräche mit denen, die nicht mehr sind, der Rückzugsort am Berghang, das Meer unten. Manche Geschichten kann man nur an dem Ort schreiben, wo alles einmal möglich war. Ansonsten ist es eigentlich egal, wo man schreibt. Wichtig ist nur, dass man immer wieder das Gleiche auf eine neue Weise erzählt.
Wirst du weiter auf La Palma leben und schreiben? Und was hast du als Nächstes vor?
Ich bin gerade dabei, mein zweites Buch fertigzustellen — so eine Art Tagebuch, in poetischer Prosa geschrieben. Darin geht’s um meine Eltern, um die Arbeit im Garten, um den Regen, um alte Liebschaften, um Mohnblumen, um das Vergehen der Zeit, um Bücher, um die Welt, das Menschliche und das Göttliche. Und ich sehe noch kein Ende — erst, wenn mich der Ruf der Wildnis erreicht. Im Moment muss ich hier auf der Insel nur dasitzen, still sein und schreiben. Und dann hab ich noch vor, ein ganz persönliches Wörterbuch zusammenzustellen.
Was würdest du jungen Palmer@s sagen, die Dichter:innen werden wollen?
Unbedingt Briefe von Rainer Maria Rilke lesen. Und nach und nach die ganzen richtig guten spanischen Dichter entdecken — die Französinnen und die Slowaken, die sie vielleicht im Erasmus treffen, hätten sonst nie von denen gehört. Und ich würd ihnen sagen: Lasst euch Zeit mit dem Veröffentlichen — sonst bereut ihr’s, wie Juan Ramón Jiménez. Erst Homer lesen, dann Ovid, Dante, Milton, Cervantes… so lange, bis man irgendwann die Kopfhörer abnimmt und wieder zuhört, was um einen herum passiert: Was die Mutter ihrer Tochter im Bus erzählt, was zwei alte Leute beim Spazierengehen sagen. Am Ende ist der beste Rat an jede:n Dichter:in — egal woher: Leb dein Leben. Und komm zurück, um davon zu erzählen.