Man muss es den Damen und Herren in den klimatisierten Amtsstuben von La Palma lassen: Sie wissen, wie man sich auf die Schulter klopft – selbst dann, wenn der Anlass eigentlich beschämend ist. Ganze dreieinhalb Jahre nach dem Ende des Vulkanausbruchs dürfen die letzten Container-Bewohner, die bis dahin in tropfenden Blechkisten kampierten, jetzt endlich auf etwas hoffen, das man andernorts einfach nur „Wohnung“ nennt. Nieves Lady Barreto – offenbar noch leicht benebelt vom Inselfest „Bajada de la Virgen“, bei dem man dem gemeinen Volk ja den gemäßigten Alkoholkonsum ja dringend empfohlen hatte – verkündete stolz, dass nun zwischen 110 und 120 Sozialwohnungen in Los Llanos entstehen sollen. Und zwar dank einer satten Direktsubvention von 28,7 Millionen Euro aus ihrem Ministerium. Dass diese Maßnahme auch Menschen zugutekommt, die schon vor dem Vulkanausbruch verzweifelt auf bezahlbaren Wohnraum gewartet haben, wird als besonderes soziales Feingefühl verkauft. Auch Cabildo-Präsident Sergio Rodríguez durfte seine Sprechzeit nutzen, um neue Gesetze, alte Versprechen und institutionelles Händeschütteln zu preisen. Bürgermeister Llamas nannte das Ganze einen „großen Tag“ – was man wohl auch sagen würde, wenn man viereinhalb Jahre zu spät zum Kindergeburtstag kommt und trotzdem den Kuchen anschneidet. Fazit: Die Politik „arbeitet gemeinsam für die Menschen“, wie es heißt. Nur eben mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte im Feiertagsmodus. Aber hey – jetzt, wo man nach ein paar Gläsern Inselwein wieder halbwegs aufrecht stehen kann, ist auch Wohnungsbau plötzlich machbar.
Wie jedes Jahr im Juli, wenn der Planet glüht und selbst die Eidechsen stöhnen, flattert auch diesmal wieder eine wohlformulierte Brandwarnung aus dem Cabildo-Büro durch die sommerheiße Luft: Achtung, es ist heiß. Es könnte brennen. Bitte verhalten Sie sich nicht wie komplette Idioten. Danke für den Hinweis – wäre uns ohne behördlichen Erlass glatt entgangen. Die Liste der Verbote ist lang: keine Großwildjagd, keine Hundetrainings außer auf speziell ausgewiesenen Hundespielplätzen (wer denkt sich sowas aus?), kein Feuer, kein Zigarettenwerfen, kein Wandern im Funkloch. Fast könnte man meinen, die Bevölkerung hätte in den letzten Jahrhunderten regelmäßig versucht, den Kiefernwald eigenhändig abzufackeln. Aber der eigentliche Witz an der Sache bleibt wie jedes Jahr außen vor: Was passiert eigentlich, wenn’s dann wirklich brennt? Die Antwort: Warten. Denn bevor ein Löschflugzeug auch nur den Propeller startet, muss eine ganze Kaskade an Freigaben durch das bürokratische Protokoll flattern. In der Zeit hat das Feuer meist schon seinen Zweitwohnsitz angemeldet. Kurzum: Das Cabildo mahnt zur Vorsicht – was auch für den Glauben an funktionierende Krisenreaktion gilt. Und: Wer auf eigene Faust löschen will, möge sich bitte vorher ein Formular in dreifacher Ausführung im klimatisierten Büro abholen.
Die kanarische Gesundheitsdirektion hat ganze Arbeit geleistet – und warnt nun offiziell: Es ist heiß. Und das ist gefährlich. Und zwar nicht überall gleich. Nein, das wäre zu einfach. Für Gran Canaria gibt’s richtig Action – dort wird immerhin oranger Alarm (mittleres Risiko!) ausgerufen. Und das nicht pauschal, sondern fein säuberlich nach Mikroregionen sortiert: Osten, Westen, Süden, Cumbre, Tal – genial! La Palma hingegen darf sich mit dem bescheideneren gelben Alarm (geringes Risiko!) zufriedengeben – aber eben nur auf der Ostseite. Der Westen? Offenbar immun gegen Sonnenstrahlen. Die Lavafelder glühen zwar noch nach, aber solange der Wind aus der „nicht-amtlich-gefährlichen“ Richtung weht, gibt’s da kein offizielles Problem. Ebenso betroffen – man glaubt es kaum – sind Teile von Teneriffa, Lanzarote und Fuerteventura. Auch dort wurde pixelgenau kartiert, welche Dörfer ins Verderben blicken und welche noch im Schatten Gottes stehen. Wer in El Rosario wohnt, sollte Wasser trinken. Wer fünf Kilometer weiter wohnt, kann beruhigt weiterfrittieren. Zur Sicherheit wurde noch ein weiterer Alarm ausgegeben: Vorwarnung wegen Calima – also der heißen, trockenen Luft aus der Sahara. Laut Luftqualitätszentrum könnte der Staub das Atmen „unangenehm“ machen. Eine kühne Erkenntnis. Die Risikogruppen: Alle. Wirklich alle. Die Liste der „besonders gefährdeten“ Menschen reicht vom Säugling über die Schwangere bis zum Rentner mit Bluthochdruck, vom Jogger bis zum Obdachlosen, vom Einsiedler mit kognitivem Defizit bis zum Touristen mit Mojito in der Hand. Auch Menschen, die Sport treiben, arbeiten oder im Sommer mal rausgehen, gelten als besonders waghalsig. Bei Symptomen wie „Müdigkeit, Schwindel, Durst oder allgemeinem Unwohlsein“ heißt es: Notruf wählen! Danke, Gesundheitsdirektion!
Der zweite Auftritt der berühmten Danza de los Enanos steht an. Verständlich, denn dieses kleine Spektakel, das nur alle fünf Jahre stattfindet, hat es in sich: Kleine Männer in großen Kostümen tanzen sich in die Herzen des Publikums – ganz ohne Dekret, Risikowarnung oder genehmigungspflichtige Schweißausbrüche. Nachdem die erste Aufführung in der Vorwoche bereits für Begeisterung sorgte (bis auf die, die dank schlechter Sicht nicht viel zu sehen bekamen), reagiert das Cabildo nun mit Teil 2, und das mit Shuffle-Service: Ein Sonderbusdienst wird erneut eingerichtet. Die alten Klassiker sind wieder mit dabei – Parkplätze beim alten Flughafen, Shuttles ab Risco Alto, verstärkte Linien und jede Menge Menschenlenkung an der Avenida de Los Indianos. Denn wenn die Zwerge tanzen, darf der Verkehr nicht aus dem Takt geraten. Der zuständige Inselrat verkündet mit gewohnt staatsmännischer Gravitas, dass „große Anstrengungen“ unternommen wurden – man könnte fast glauben, er spräche über eine Evakuierung und nicht über einen Busplan. Natürlich darf der moralische Zeigefinger nicht fehlen: Das Volk soll bitte verantwortungsvoll anreisen, um keine „bedauerlichen Zwischenfälle“ zu verursachen. So viel Vertrauen ins Urteilsvermögen des Bürgers ist man sonst nur aus Hitze-Erlassen gewohnt. Und doch bleibt etwas Schönes: Trotz aller institutionellen Begleitmusik, trotz Verkehrskonzepten und Sicherheitsansagen, ist der Auftritt der Zwerge ein echter Moment des kollektiven Staunens, der nicht vom Cabildo erfunden, sondern vom Volk getragen wird. Und das – in einer Woche voller bürokratischer Bevormundung – ist fast schon revolutionär.