28. April 2025

Correo del Valle - Humor & Satire La Palma - Dr. Ingrid Jütting - Ein Hoch auf die Mütter

Humor & Satire So ist das eben hier

Ein Hoch auf die Mütter

Legen Sie diese Buchstaben gerne Ihren Männern in die Suppenteller. (Oder auch den nachwachsenden Annas, Carmens oder Franciscos.) Ich singe ein Loblied auf Sie, liebe Mütter. Mutter sein allein ist in meinen Augen heutzutage schon eine satte Leistung, aber Mutter sein auf La Palma... funktioniert ohne Führerschein überhaupt nicht. Unverschuldet aber völlig fasziniert gerate ich ab und zu in den dicksten Verkehrsstau der Insel, der sich – und zwar täglich – vor den Schulen abspielt. Da eilen unglaubliche Scharen schwerbepackter schnatternder Zwerge zielstrebig durch kreuz und quer parkenden Vehikel auf ihre geduldigen, schweißgebadeten Mütter zu. Täglich wieder! Okay, irgendwann ist die Schule absolviert, aber der Chauffeusendienst scheint Lebensaufgabe zu sein: zum Musikunterricht, zum Sport, zum Geburtstag, zu Freunden, in die Disco... (Neulich hat mir ein kesser Teenie erklärt, das sei doch völlig logisch, man wolle sich doch nicht das haar- und klamottentechnische Outfit auf dem Mofa oder gar noch unter einem Helm zerstören.) Ach so, da muss dann Mutti ran. Manchmal auch Papa. Da Opas, wenn überhaupt vorhanden, mit dem Verkehrschaos vor den einschlägigen Etablissements sowieso überfordert sind, kommen sie nur in Einzelfällen als Aushilfe in Betracht.

Nein, meistens muss die Mutti ran. Wenn sie alleinerziehend ist, ja sowieso. Wann machen diese Frauen, da sie ja eigentlich nur in ihren Autos leben, Hausarbeiten wie Kochen, Putzen, Garten- oder Tierpflege? Wann genießen diese Frauen meditative Stille und Selbstverwirklichung? Hausaufgaben müssen ja auch noch betreut werden, und das eine oder andere Erziehungsproblem allgemeiner Art darf auch gerne noch irgendwann gelöst werden. Wahrscheinlich im Auto. Oder habe ich da vielleicht eine neue Generation von Hausmännern übersehen, die hilfreich die weiblichen Arbeitsdomänen übernommen hat? Aber was ist, wenn diese Her-ren der Schöpfung noch zur arbeitenden Bevölkerungsschicht gehören? Warum um Himmels Willen fahren Schulbusse erst nach der Schulspeisung ab, wenn nur 0,01 Prozent der Schülerinnen und Schüler daran teilnehmen? Hat das wiederum vielleicht auch mit der ungemein fantasievollen und abwechslungsreichen Kost zu tun? Fragen über Fragen... aber die Folge ist die hohe Anzahl individueller Chauffeusen, auch Mütter genannt.

Früher, ja früher... da fuhren wir mit dem Rad in die Schule, durften allenfalls bei grottenschlechtem Wetter auch mal in den Bus steigen. Früher waren Frauen auch keine Familientaxiunternehmerinnen. „Ehret die Frauen! Sie stricken die Strümpfe, wohlig und warm zu durchwaten die Sümpfe, flicken zerrissene Pantalons aus, kochen dem Manne die kräftigen Suppen, basteln den Kindern die niedlichen Puppen, halten mit mäßigem Wochengeld Haus!“ Nun gut, war auch nicht alles so toll. Sümpfe gibt‘s hier wenige und die Notwendigkeit warmer Strickstrümpfe ist zeitlich sehr begrenzt, aber ich glaube, Sie haben verstanden, warum es einmal gesagt werden musste: Ein Hoch auf die Mütter!

Ingrid Jütting
Dr. Ingrid Jütting
(Ostfriesin, mittlerweile alt und weise)
lebte und arbeitete Anfang der 90er Jahre für eine ganze Dekade auf La Palma und beschrieb in ihren Kolumnen für den Correo del Valle mit scharfer Beobachtungsgabe das Inseltreiben – von „ganz normalen“ Alltagssituationen bis hin zu Blicken hinter die Kulissen des einheimischen Daseins, die sie manchmal durchaus an Ostfriesland erinnerten.

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