Kennen Sie diese einschlägigen Beziehungshilfebücher? Wie also Ehekrisen und damit oft gekoppelte Midlife-Krisen zu bewältigen sind, kann man schlauen Büchern entnehmen. Wir haben ungefähr einen Längenmeter davon im Bücherregal stehen. Nur irgendwie lösen sich die beschriebenen Fallgeschichten immer viel leichter auf als im normalen Leben. Klingt alles ganz logisch, ist aber im persönlichen Fall seltsamerweise schwer umzusetzen. Aber Schluss mit der Sülzerei, denn wir hier lebenden Ausländerinnen haben ja vielfältige Ablenkungsmöglichkeiten. Da gehen wir zur Gymnastik, zu kreativen Malkursen, zum Yoga oder Aikido, in die Frauen- oder Männergruppe (aus gut unterrichteten Kreisen hörten wir sogar von einer Männerkochgruppe), wir haben unsere wöchentliche Skatrunde oder den Männerbadeclub mit Sauna, fahren Mountainbike zum Observatorium oder Motorrad um die Insel, schöpfen fleißig Altpapier, gehen zu Bibellesungen, sonntagmittäglichen Klavierkonzerten in kleinem, feinen Kreis oder zu Informationsveranstaltungen wahlweise zum Brustkrebs oder Feng Shui. Wir sind also gut beschäftigt und holen uns allerlei Anregungen für unsere ureigenste körperlich-kosmische-spirituelle Weiterentwicklung. Schließlich muss die Midlife-Krise ja bewältigt werden. Übrigens trifft sie uns theoretisch und praktisch genau dann, wenn unser Häuschen fertiggebaut oder zu Ende renoviert ist, der Garten angelegt und die Einrichtung optimiert ist. So, da sitzen wir auf der Bank vorm Haus, schauen in die Abendsonne und dann kriecht früher oder später dieses seltsame Gefühl hoch, das irgendwann in der Frage mündet: Und das soll jetzt alles gewesen sein? Und soll das jetzt immer so weitergehen? Wer bin ich und was will ich hier? Gute Frage, langes Schweigen.
Wenn‘s dann nicht hinhaut mit der Partnerschaft, dann haben Sie schlechte Karten. Aber um das alles zu verdrängen, können Sie ja nochmal die schon erwähnten Workshops, Kurse und Seminare durchgehen. Ganz andere, aber auch schlechte Karten haben Sie, wenn Sie noch zur arbeitenden Schicht gehören, weil Ihnen dann für alle diese Selbsterfahrung die Zeit und/oder auch schlicht das Geld fehlen. Was machen Sie dann? Und vor allem: Was machen Sie dann in der midlife-crisis? Gute Frage, langes Schweigen.
Einer, der es wissen muss, hat gesagt, ein Clown unterscheidet sich von einem Mann in einer Midlife- Krise dadurch, dass er weiß, dass er albern gekleidet ist. Jetzt können Sie Ihren Vorurteilen freien Lauf lassen: Ist etwa jener Papagei älteren Datums, der ihnen sofort dazu einfällt, etwa nur dabei, seine Krise zu bewältigen? Und wie arbeiten die Frauen das Hitzewellen-Identitätskrisen-Schlaflos-In-Los Llanos-Syndrom auf? Auch hier gibt es unterschiedliche vielversprechende Ansätze. Partnerwechsel zum Beispiel. Umzug nach Garafía. Ehrenamtliches Engagement für dit und dat. All das kann den Fall in einen seelischen Barranco verhindern. Oder zumindest verzögern. Beliebte Verhaltensmuster, um sich nicht näher mit sich selbst beschäftigen zu müssen, sind auch Streitigkeiten mit Behören oder Nachbarn. Um Grundstücksgrenzen, überhängende Zweige und Äste oder lärmgeschwängerte Feierlichkeiten. Aber zurück zum Thema: wie bewältigen wir unsere Midlife-Krise? Sind wir denn überhaupt in einer Krise?
Jede Krise birgt doch ihre Chance. Vielleicht liegt unsere Chance darin, dass wir gar nicht in der Krise sind. Vielleicht sind alle Fragen und Zipperlein ja völlig normal und wir müssen uns nur damit abfinden, dass auch der Herbst seine goldenen Tage hat. Und altersweise einfach nur feststellen, dass noch ein gutes Stück Zukunft noch vor uns liegt, von Reinkarnation mal ganz abgesehen. Uns geht‘s doch im Verhältnis zu vielen anderen Menschen supergut, oder? Gute Frage, langes Schweigen...