14. April 2025

Correo del Valle - Humor & Satire La Palma - Dr. Ingrid Jütting - Autofahren auf der Isla Bonita – Eine Verhaltensstudie über die palmerische Fahrweise

Humor & Satire So ist das eben hier

Autofahren auf der Isla Bonita – Eine Verhaltensstudie über die palmerische Fahrweise

Sie sind im Urlaub und machen eine Erkundungstour in den Nordwesten der Insel. Gute Idee! Dabei sehen Sie nicht nur blühende Landschaften, sondern können nebenher auch noch allerhand über das Verhalten im Straßenverkehr auf La Palma lernen. Sie fahren also mit Ihrem Mietwagen von A nach B. Im Auto vor Ihnen lässt der Fahrer seinen linken Arm aus dem Wagenfenster baumeln und Sie fragen sich: warum? Handelt es sich eventuell um einen Mann in den Wechseljahren, der seine Probleme auf diese Weise zu bekämpfen versucht? Oder ist der Blinker kaputt und Sie müssen damit rechnen, dass der Wagen im nächsten Moment mit Handsignal links abbiegt? Nichts passiert, nur der Arm baumelt. Was genau dahintersteckt? Ich muss Sie enttäuschen, ich weiß es nicht. Aber ich vermute ein Stück spanische Männerkultur. Andere Länder, andere Sitten.

Wenn hingegen der linke Blinker am Wagen vor Ihnen aufleuchtet, muss das noch lange nicht heißen, dass ein Linksabbiegen bevorsteht. Stattdessen handelt es sich wahrscheinlich um einen der wenigen vorausschauenden Fahrer, der Ihnen signalisiert, nur ja nicht zu überholen. Warum nicht? Die spanische Straßenverkehrsordnung funktioniert eben anders. Ein plötzlicher Stopp eines PKW‘s vor Ihnen bedeutet in den meisten Fällen, dass der Fahrer einen Bekannten entdeckt hat – entweder am Straßenrand oder nicht selten auch auf der Gegenspur. Im letzteren Fall kommt natürlich der Verkehr erst einmal zum Erliegen – aber seien Sie tolerant! Warten Sie die Begrüßungsprozedur ab, den Austausch aller wichtigen Ereignisse des letzten Jahres und... bleiben Sie höflich! Erstens sind Sie Ausländer und zweitens doch im Urlaub. Eine durchschnittliche wie gerade beschriebene Zeremonie dauert ca. 8 3/4 Minuten. Danach können Sie Ihre Erkundungstour beruhigt fortsetzen. Bis zum nächsten Stopp.

Wahrscheinlich sind Sie in Los Llanos oder Tazacorte, wo in Zweit- und Drittreihen munter Ihre Fahrspur zugeparkt wird. Bevor Sie sich ärgern, greifen Sie zur Selbsthilfe. Stellen Sie einfach den Motor des vor Ihnen parkenden Wagens ab. Blitzschnell kommt meist der Besitzer laut bis leise fluchend um die Ecke geflitzt. Die Schimpftiraden lassen Sie locker an sich vorübergehen, da Sie diese wahrscheinlich sowieso nicht verstehen. Wenn Sie in solchen Situationen zur palmerischen Variante der Konfliktlösung greifen wollen, stemmen sie beide Hände fest und lange auf die Hupe. Auch in diesem Fall eilt – wieder unter erheblichem Schimpfen – der Autobesitzer herbei. Sie haben erreicht, was sie wollten, der Weg ist frei und Sie können Ihre Nordtour fortsetzen – bis zum „Serpentinengeschlängel“ auf den „El Time“ hoch nach La Punta.

Spätestens an dieser Stelle fahren Sie im Schritt-Tempo. Aber Stauerfahrung haben Sie ja im Heimatland gesammelt – also Nerven behalten! Entweder schafft das Versorgungsfahrzeug mit Baumaterialien, Gasflaschen oder Bierkästen den Weg hinauf nur mühevoll und langsam, oder der Bus bzw. der Bananentransporter, der abwärts fahren möchte, kommt nicht um die Kurve. Achtung, verlassen Sie nicht Ihr Fahrzeug, da Sie gegebenenfalls zentimeterweise in der Kolonne rückwärts fahren müssen, damit die Kurve wieder frei wird und der Gegenverkehr rollen kann – und somit auch Ihr Auto. So ist das eben hier. Sie sind schließlich nicht auf der Autobahn München-Salzburg, sondern auf „Lummerland“, nur leider ohne die Lokomotive „Emma“.

Übrigens wäre eine Eisenbahn die Lösung. Kein Stau, keine Schimpftiraden, keine Unfälle, kein Stress.., friedlich würde „Jim Knopf« oder im palmerischen Fall „Pablo Rodríguez Gómez“ mit der Bahn seine Runden drehen. Als Zuggast könnten Sie dann Geranien und Oleander pflücken, entspannt übers Meer in die Berge blicken, Ihr Gegenüber anschauen und vieles mehr. Auch die Höhenunterschiede könnten leicht überwunden werden. Schließlich schrauben sich auch Bahnen in Peru und Mexiko im Zickzack die Gipfel hinauf. Warum nicht hier? Ein ökologisches Vorzeigeprojekt wäre solch ein Bähnchen allemal. Endlich könnte sich La Palma auf dem Gebiet des Umweltschutzes einmal so richtig profilieren, wo es in vielen Bereichen doch eher nicht sehr beispielhaft zugeht. Auch bei Einfädelversuchen in Autoschlangen sind viele Verkehrsteilnehmer noch nicht so weit, wie man es gerne hätte. Jeder pocht auf seinem Vorfahrtsrecht. Bleiben Sie ruhig, seien Sie Vorbild, denn von Ihnen kann man noch etwas lernen: z. B. Aufmerksamkeit im Straßenverkehr. Und Aufmerksamkeit brauchen Sie, wenn etwa ein Fahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 Stundenkilometern vor Ihnen herschleicht. In diesem Fall ist dann der Fahrer entweder 104 Jahre alt oder schlicht und einfach betrunken. Regen Sie sich nicht auf, honorieren Sie lieber die Schleicherei im Sinne größtmöglicher Verkehrssicherheit. Übrigens: planen Sie nichts am 1. Januar. Bleiben Sie in Ihrer Ferienunterkunft. An diesem Morgen geht nämlich gar nichts mehr. Die harmlose Variante ist, dass Sie in langen Schlangen ausharren müssen, weil weiter vorne einer dieser typischen „Noch nicht ganz nüchtern“-Typen kutschiert oder einen Unfall verursacht hat.

Die Ampel zeigt grün... Wenn Stau vor einer Ampel herrscht, ist der Fahrer meist friedlich eingeschlafen. In diesen Fällen kann ich Sie nur vor Selbsthilfemaßnahmen warnen. Beim letzten Jahreswechsel habe ich versucht, das beschriebene Problem (Ampel grün, Ampel rot, nichts geht mehr) auf eigene Weise zu lösen: als der Fahrer vor mir einfach nicht aus dem Tiefschlaf erwachen wollte, habe ich mich vorsichtig neben ihn auf den Fahrersitz gesetzt und wollte den Wagen an den Straßenrand fahren. Gut gemeint, aber dumm gelaufen, denn der Typ erwachte und schlug mir die Nase blutig, während der Alkoholdunst in dessen Fahrzeug meine Reaktionsfähigkeit beinahe zum Erlahmen brachte. Wie gesagt, dumm gelaufen.

Alles in allem geht es hier aber auch nicht anders zu als überall auf der Welt. Es gibt sie schließlich überall, die einsamen Cowboys der Straße, die Rowdies, die Easyrider, die Gentlemen und -ladies und die wildgewordenen kreischenden Mopedhelden. Und wie überall auf der Welt sind auch hier die Autos Ersatzwohnzimmer mit Püppchen, Deckchen und Kreuzchen oder sie sind heilige Kühe, die blitzen und stäubchenfrei funkeln... oder einfach nur mitleiderregende Schrottvehikel. Alles ganz normal, oder ?


Dr. Ingrid Jütting

Weitere Beiträge

Ein Hoch auf die Mütter
Warum Männer nicht reden und Frauen immer Schuhe kaufen
Wir hatten auch Wetter
Mein Auto steht so oft es geht
Künstler sind auch Menschen
Vamos al bar