01. September 2025

Correo del Valle - Humor & Satire La Palma - Dr. Ingrid Jütting - Immer hübsch locker bleiben

Humor & Satire So ist das eben hier

Immer hübsch locker bleiben

Öffentliche Gebäude sind von außen oft recht gefällig anzusehen. Ich betrete sie allerdings höchst ungern. Nicht nur, weil mich Behördengänge grundsätzlich viel kostbare Zeit kosten, sondern vor allem, weil mir die Willkür der dort Herrschenden mehr als suspekt ist... das muss an mir liegen. Wahrscheinlich, weil ich das Gefühl des Ausgeliefertseins partout nicht ertragen kann. Oder vielleicht auch, weil mich wieder kein Schwein gefragt hat, als es um Innenarchitektur, Kundenfreundlichkeit oder effiziente Arbeitsabläufe ging. Egal, um was es immer geht, ich lerne relativ hurtig mindestens fünf Angestellte kennen.

Der erste schaut zweifelnd auf meinen Papierstapel, der zweite noch viel nachdenklicher auf jede einzelne Anlage, der dritte erklärt mir seine Nichtzuständigkeit, der vierte verweist auf einen langen Weg durch das Behördenlabyrinth hin zum fünften Kollegen, der, falls anwesend, mein Ansprechpartner sein soll. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn ich zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin. Nachdem ich mittlerweile einige Jährchen meines kostbaren Lebens höflich wartend vor irgendwelchen Türen auf irgendwelchen harten Bänken (falls vorhanden) in unfreundlichen Fluren verbracht habe, hat sich meine Grundhaltung sehr unangenehm verändert: erst mal frech schauen, ob hinter der Tür, vor der ich mit meinem langsam braun werdenden Papierstapel warte, überhaupt jemand residiert. Falls nicht, geht‘s zu wie bei Monopoly. Zurück zum Anfang. Gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie keine 4000 ein.

Wenn allerdings doch jemand anwesend ist, muss das noch lange nicht heißen, dass er auch Zeit hat, und dann auch noch für mich. Mittlerweile bin ich felsenfest überzeugt, dass in vielen Büros versteckte Zweittüren eingebaut wurden, durch die Behördenmitarbeiter flugs von irgendwo nach nirgendwo verschwinden. Trotzdem: auf keinen Fall den Platz räumen. Immer hübsch locker bleiben. Eigentlich bin ich gar nicht autoritätsgläubig, aber plötzlich registriere ich eine mir unbekannte völlig neue Demutshaltung an mir. Das ist doch nicht normal, oder? Muy Ilustre Ayuntamiento, das hätte mir früher ein heftiges Kichern entrungen, heute führen diese Worte zu Schweißausbrüchen. Natürlich haben meine Probleme auch mit der Qualität meiner Fremdsprache zu tun, und Qualität kommt ja bekanntlich von Qual. Und so quäle ich mich von Amt zu Amt durch Behördenabläufe, die mir auch für den Rest meines Lebens unverständlich bleiben werden. Aber ich bin ja hier, um zu lernen, oder?

Dr. Ingrid Jütting

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