Gleichgültigkeit schadet der Gesundheit
Ich habe gestern etwas getan, wofür ich mich schäme. Ich habe weggeschaut und bin vorbeigefahren. Natürlich habe ich allerlei Erklärungen parat: Anhalten war gefährlich, ich war in der Kurve auf der Überholspur auf dem „Autobahnteilstück“ von Ost nach West, konnte nicht wenden, ich hatte einen Termin, was wird der beste aller Ehemänner dazu sagen, wir haben doch schon ein Dreierrudel zu Hause, ich kann das Elend nicht mehr sehen, blablabla, waberte es in meinem Hirn. Alles richtig, aber keine Entschuldigung.
Ich habe einen kleinen schwarzen Hund am Straßenrand zwischen Irgendwo und Nirgendwo sitzen lassen, bin einfach weitergefahren. Auch den Mann im Wagen vor mir kenne ich, er hat auch nicht angehalten. Ja und? Und dass ich mich jetzt schäme, hilft dem kleinen Vierpfotentier auch nicht weiter. Klar, wir haben schon Rubia, Paco und Goldie aufgenommen, ein Leben lang, wir haben auch schon Tres, der auf 3 Beinen angehumpelt kam, den alle sahen, aber keiner half, zu einem neuen Zuhause verholfen und waren fassungslos, als auch noch jemand sagte: »Bloß nicht füttern, den wirst du nicht wieder los«. Nein, wir sind nicht gleichgültig, auch Tootsie, Maya, Jacky und Lucky hatten schon ein Übergangszuhause bei uns, aber trotzdem... ich hätte handeln müssen und bin vorbeigefahren.
Ich weiß, die wenigen Aufnahmestationen für Tiere, die niemand liebhat, sind überfüllt, die wenigen Tierschutz-Aktivisten gnadenlos überfordert. Also muss Hilfe her. Mehr Mitverantwortung muss her. Mehr Pflegefamilien werden gebraucht. Flugbegleiter für die Tiere natürlich auch, damit sie in ihr neues Zuhause reisen können. Pflegehunde machen viel Freude, auch wenn sie Zeit kosten. Was haben wir mit den kleinen Asylanten schon für Spaß gehabt, fast immer fiel der Abschied dann schwer, auch wenn der eine oder andere kleine „Materialschaden“ zurückblieb. Wir hatten ein gutes Gefühl, einem Lebewesen und eben nicht weggeschaut.
Als letzte ist Sissi bei uns hängengeblieben, Gnadenbrotkandidatin, weil schon 13 Jahre alt und ein kleiner Giftzwerg. Aber wir fanden keine Oma mit Sofa im Garten für sie, wo sie die Nummer 1 sein konnte im biblischen Alter, also tut es auch der Sessel im Wintergarten und Nummer 3 in unserem Rudel ist auch keine schlechte Zahl. Das Leben ist eben voller Kompromisse.
Sie ahnen schon, worauf ich hinausmöchte. Ich möchte Sie ermuntern, doch einmal darüber nachzudenken, ob Sie nicht auch helfen könnten und für eine Weile eine Pflegefamilie sein könnten. Die meisten Tiere sind nach kurzer Zeit in ein Zuhause vermittelt, dank einem Netzwerk aus Menschen, die eben nicht immerfort denken: »Es gibt ja welche, die kümmern sich«. Diese Irgendjemande sind sie selbst. Nicht mal am Futtergeld muss ein solcher Einsatz scheitern, sogar hier helfen die Tierschutzinitiativen. Warum also nicht Sie? Und warum nicht jetzt?
Wenn Sie wollten, könnten Sie helfen, seien Sie doch mal ehrlich, es fehlt nur am Auslöser. Ein fröhliches Abenteuer wartet auf Sie, geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck. Dass Sie bislang noch nichts unternommen haben, macht nichts. Dafür müssen Sie sich nicht schämen. Schämen muss nur ich mich, weil ich gestern kaltherzig vorbeigefahren bin an einem Vierpfotentier, das Hilfe brauchte.